Geschichten, die bewegen

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Der Zauber Siřems

Unweit von Prag, in einer Gegend, in der sich die Bewohner seit jeher dem Hopfenanbau widmen, liegt das verschlafene Dörfchen Siřem. Noch heute ragen, soweit das Auge reicht, die meterhohen Pflanzen in die Höhe, und das Bier, das man hier braut, erfreut sich größter Beliebtheit, weit über die Landesgrenzen hinaus. Genau hier, gleich am Marktplatz, übernahm Ottla, Kafkas liebste Schwester, im Jahre 1917 einen Hof und fand Zuflucht in der Landwirtschaft. Und schon wenige Monate später stieß Franz dazu. Der kurz zuvor schwer an Tuberkulose Erkrankte, erhoffte sich unter Ottlas aufopferungsvoller Pflege eine Besserung seiner Leiden. Der passionierte Gärtner und Naturliebhaber Kafka verbrachte acht Monate in der ländlichen Idylle: lange Spaziergänge, ausgiebige Sonnenbäder, leichte körperliche Arbeit und wohltuende Abgeschiedenheit wirkten Wunder und der „Patient“ erinnerte die Zeit in Siřem als die glücklichste seines gesamten Lebens.

Kafkas Spuren

Und auch im Werk des Autors hinterließ der Aufenthalt in Siřem deutliche Spuren. Er sandte überraschend heitere und humorvolle Briefe an seine Freunde, die ihren Franz kaum wiedererkannten. Er schuf akribisch hunderte aphorismenartige Kurztexte und das Dorf selbst diente ihm einige Jahre später als Kulisse für seinen letzten Roman „Das Schloss“.  Erfreulicherweise scheint die Zeit in Siřem stehengeblieben zu sein. Beinah unverändert präsentiert sich uns noch heute das charmante Dörfchen mit seinen vielen Höfen, Hopfenspeichern und dem schillernden Goldbach. Und auch der Herrenhof, der Brückenhof und die Schule aus dem Roman stehen genau dort, wo der Autor sie vermerkte.   

Gedenkstätte

Auf Ottlas ehemaligen Hof in Siřem entsteht derzeit in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde, dem Besitzer Herrn Kunst, tschechischen Partnern und Einwohnern ein Forschung- und Begegnungsort, der zum Besuch, zum Erkunden und Verweilen einlädt. Hier wird der Besucher einen zugänglichen Gedenkort vorfinden, der von der Geschichte des Dorfes, Kafkas Aufenthalt und den dort entstandenen Texten unterhaltsam berichtet. Darüber hinaus beherbergt der Bau einen Studienort mit angrenzender Bibliothek, die der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kafka dienen soll. All diese Bemühungen befinden sich im Anfangsstadium.

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